„Viel zu oft würde nach der Trennung ein Familienbild aus dem 19. Jahrhundert gerichtlich festgeschrieben“ beklagte Michael Bockhorni, Vorsitzender der „Vater aktiv“. Während ein Elternteil (zumeist die Mutter) sich um die Kinder kümmert, werde die Rolle des anderen Elternteils auf die reine materielle Versorgung der Kinder reduziert. Der Verein „Vater aktiv“ hat gemeinsam mit dem Verein „figli per sempre Trentino – Alto Adige“ sowie der „internationalen Plattform Paritätische Doppelresidenz“ eine international besetzte Fachtagung in Bozen veranstaltet, auf welcher die Vorteile des individuell variablen Modells der Doppelresidenz für Kinder, Eltern und Gesellschaft wissenschaftlich fundiert dargestellt wurden. Es ermöglicht den Kindern einen gleichwertigen Kontakt zu beiden Elternteilen, indem sie bei beiden zwei Zuhause haben. Die Eltern werden sowohl in der Betreuung als auch finanziell entlastet, das Konfliktniveau wird gesenkt und somit langwierige Gerichtsprozesse und das Risiko von Armut reduziert.

Dr. Vittorio Vezzetti (Kinderarzt und Mitbegründer der Vereinigung „Figli per Sempre“) berichtete über mögliche gesundheitliche Auswirkungen von Trennung und Scheidung auf Kinder und die Aktivitäten auf europäischer Ebene für die Stärkung des Schutzes der Kinder auf Basis der Auswertung der Erfahrungen in verschiedenen Ländern und von internationalen Meta-Studien.
Angela Hoffmeyer (Bundesvorstandmitglied des Vereins "Väteraufbruch für Kinder") skizzierte die Entwicklung und den Paradigmenwechsel in der Familienpolitik und den Aufbau der internationalen Plattform Paritätische Doppelresidenz twohomes.org, welche Wissenschaft, familiale Professionen und Interessensverbände vernetzt. Dipl. Kinder- und Familienpsychologe Jan Piet de Man (Europäisches Institut für das Kindeswohl) sprach über die vielfältigen Möglichkeiten altersgemäßer Betreuungszeitpläne, das Nestmodell (indem die Kinder in der Wohnung verbleiben in der sie die Eltern abwechselnd betreuen).
Frau Prof. Dr. jur. Hildegund Sünderhauf (Professorin für Familienrecht an der Evangelischen Hochschule Nürnberg und Autorin des Buches "Wechselmodell: Psychologie - Recht - Praxis") erläuterte die wichtigsten Aspekte und Rahmenbedingungen des Wechselmodells und widerlegte die gängigsten Vorurteile und Fehleinschätzungen.

In der Podiumsdiskussion mit den ReferentInnen sowie Dr. Julia Dorfmann (Landesgericht), Dr. Vera Nicolussi-Leck (Kinder- und Jugendanwaltschaft), Dr. Sabine Krismer (Amt für Familie, Frau und Jugend), Dr. Elisabeth Rechenmacher (Ehe- und Erziehungsberatung), Josefa Brugger (Plattform für Alleinerziehende) und Oskar Laimer (Väter aktiv) wurde unter reger Teilnahme des Publikums über die Erfahrungen, die Schwierigkeiten bei der Realisierung und die Perspektiven in Südtirol diskutiert. Um 20 Uhr endete diese interessante und aufschlussreiche Tagung im Festsaal der Gemeinde Bozen.

Fachtagung Bozen - Poster

Fachtagung Bozen - Flyer

Vorträge

Vittorio Vezzetti - Eine gemeinsame europäische Strategie für das Recht auf beide Eltern
Angela Hoffmeyer - Internationale Plattform Paritätische Doppelresidenz
Jan Piet de Man - Die Paritätische Doppelresidenz in Belgien. Die Aufenthaltsregelung an das Alter des Kindes anpassen.
Hildegund Sünderhauf - Wechselmodell: Aktuelles aus der Praxis und psychologische Forschungsergebnisse

Medienecho

telegiornale 29.11.13 RAI